Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungen können unter gewissen Voraussetzungen gemäß § 30 Abs 2 EStG von der Einkommensteuer befreit sein (sog. Hauptwohnsitzbefreiung). Eine zentrale Voraussetzung für die Befreiung ist die Aufgabe des Hauptwohnsitzes im Zuge der Veräußerung des Grundstücks.
Für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes räumt die Finanzverwaltung eine Toleranzfrist von einem Jahr ein (vgl EStR 2000 Rz 6641). Die Hauptwohnsitzbefreiung kann also auch dann zur Anwendung kommen, wenn zwischen Veräußerung des Grundstückes und Aufgabe des Hauptwohnsitzes ein Zeitraum von einem Jahr liegt.
Die von der Finanzverwaltung eingeräumte starre Toleranzfrist wird von der Rechtsprechung nicht gedeckt. Nach ständiger Rechtsprechung steht dem Abgabepflichtigen vielmehr „eine angemessene Frist“ für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes und Begründung eines neuen Hauptwohnsitzes zu. Es ist dabei immer auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Die Gründe für die Verspätung sollten jedoch nicht in der Sphäre des Abgabenpflichtigen liegen.
Insbesondere soll es dabei auf die Intention des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Verkaufs des Grundstücks ankommen. Ist diese Intention nämlich klar die Aufgabe des bisherigen Hauptwohnsitzes und Begründung eines neuen Hauptwohnsitzes, so soll eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Frist zur Anwendung kommen. Diese kann, wenn die Beschaffung eines neuen Hauptwohnsitzes eine längere Zeit in Anspruch nimmt, auch über ein Jahr hinausgehen (VwGH 1.6.2017, Ro 2015/15/0006).
In einer aktuellen Entscheidung (VwGH 22.2.2024, Ra 2022/13/0091) hatte sich der VwGH mit folgendem Sachverhalt zu beschäftigen: ein Veräußerer eines Grundstücks hatte sich im Vertrag ein dreieinhalb Jahre andauerndes „Prekarium“ ausbedungen, wodurch der Hauptwohnsitz vertraglich abgesichert noch weiterhin in dem veräußerten Gebäude beibehalten werden konnte. Eine Liegenschaft für die Errichtung eines neuen Hauptwohnsitzes wurde erst Monate nach der Veräußerung erworben; erst ca. ein Jahr nach der Veräußerung ist die Bauanzeige erfolgt. Für diese Verzögerungen konnten keine Umstände festgestellt werden, die nicht in der Sphäre des Veräußerers gelegen sind.
Der VwGH stellte in diesem Zusammenhang fest, dass durch die Ausbedingung eines „Prekariums“ über dreieinhalb Jahre davon auszugehen ist, dass bei Veräußerung die Intention bestand, den Hauptwohnsitz für einen längeren Zeitpunkt nicht aufzugeben. Eine derart lange, bereits im Vorhinein angestrebte Frist, kann nicht ohne Weiteres als angemessen beurteilt werden. Die Befreiung war daher im konkreten Fall zu versagen.
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